So auch im Buch „Neue sächsische Kirchengalerie – Die Ephorie Grimma, links der Mulde“. Erschienen ist das Buch 1911 im Verlag von Arwed Strauch in Leipzig. Hier wird unter anderem die „Parochie1) Nepperwitz mit Grubnitz und Deuben“ beschrieben, und über die Nepperwitzer Kirche lesen wir folgendes:
„Die Kirche zu Nepperwitz hat gotischen Chor in stark windschiefer Gestalt mit einem Sternengewölbe, dessen Rippen beiderseits durch zwei flache Kehlen profiliert sind. Nach Gurlitt: Bau- und Kunstdenkmäler (…) stammt der Chor aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, das anstoßende, flach gedeckte und einen verhältnismäßig hohen, mit Schiefer bedeckten Dachreiter tragende Langhaus aus der Zeit um 1500, in welcher auch die schöne aus Rochlitzer Stein gefertigte Kirchentür mit Rippenüberschneidungen gefertigt ist, die Emporen aus dem Ende des 17. Jahrhunderts und die auf eine moderne romanische Säule gesetzte Kanzel aus dem Ende des 18. Jahrhunderts, während der kleine Engelskopf an dem Westgiebel auf eine Erneuerung des Langhauses im 17. Jahrhundert hinweist. An Stelle der alten, feuchten und dunklen Sakristei wurde 1832 eine neue hellere und geräumigere Sakristei gebaut. Der kleine Anbau ans Langhaus, welcher als Leichenhalle benutzt wird, trägt die Inschrift: Erbauet durch die verwitwete Gräfin von Hohenthal, geb. von Kosik im Jahre 1838.“ Eine größere Reparatur der Kirche wurde 1865 mit einem Kostenaufwande von 1200 Talern vorgenommen. Die einmanualige Orgel mit Pedal und elf klingenden Stimmen ist zu Anfang des 19. Jahrhunderts vom Orgelbauer Flemming aus Torgau gefertigt, das Altarbild, ein in Farbe gesetzter Karton, den segnenden Christus darstellend, ist 1896 vom Historienmaler Törmer in Loschwitz erworben worden2), während die vier neuen vom Glasmaler Bruno Urban in Dresden angefertigten Altarfenster in Teppichmuster 1897 angeschafft worden sind.“
Gustav Schellhorn schreibt in seinem Heimatbuch: „Der aus Rochlitzer Sandstein gehauene Taufstein ist nach Gurlitt3) eine treffliche Arbeit aus den ältesten Zeiten der Kirche. Er stand viele Jahre hindurch als Blumentisch in der Pfarrlaube, kam aber nach seiner Erneuerung wieder in die Kirche und am 23. April 1915 wieder in Gebrauch.“
Die Nepperwitzer Kirche erhielt innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Jahren drei verschiedene Geläute. Die größte der alten Glocken stammte aus dem Jahre 1478, war 70 cm hoch, 92 cm weit und hatte auf zwei Zeilen eine Inschrift. Der Text der oberen Zeile lautete: defunctos plango vivos voco fulgura frango4) anno dni m° ccclxxviii, und in zweiter Zeile: vox mes vox vite voco vos ad sacra venite5). Dazu hatte sie zwei Plaketten; auf der einen Seite: Maria mit dem Jesusknaben; auf der anderen ein Lamm.
Die mittlere Glocke, welche ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert stammen dürfte, und 60 cm hoch ist, hatte keine Inschrift und Zeichen. – Die kleine Glocke aus dem Jahre 1497 trugt die Inschrift: i + n + r + i6) + m + cccc + xcvii.
Diese drei Glocken wurden 1910 abgenommen und durch neue ersetzt. Diese hatte Fräulein Plätzsch aus Nepperwitz gestiftet. Auf der größten stand: AD. MDCCCCX, Franz Schilling, Apolda, goß mich. Gestiftet von Frl. Emma Plätzsch in Nepperwitz anlässlich der Konfirmation ihres Patenkindes Rosalie Rößner in Nepperwitz.“ Auf der mittleren stand: „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren“ und auf der kleinen: „Lasset die Kindlein zu mir kommen.“ Die beiden großen Glocken wurden im ersten Weltkrieg abgenommen und zerschlagen, weil das Metall für Rüstungszwecke benötigt wurde. Am 18. März 1922 erhielt Nepperwitz wieder ein volles Geläute. Für Püchau waren neue Stahlglocken gestiftet worden. Die dort noch vorhandenen Bronzeglocken wurden an die Nachbargemeinde Nepperwitz abgegeben.
Der Kirchturm wurde mehrmals neu gedeckt und es wurden größere Reparaturen durchgeführt. Am 22. Juni 1926 schlug mittags der Blitz in den Kirchturm und riß ihn, ohne zu zünden, zu ¾ seiner Länge auf. Die herabgeschleuderten Schiefer hatten aber das Kirchendach schwer beschädigt. Im Innenraum der Kirche hatte der Blitz große Stücke des Deckenputzes heruntergerissen und die Orgel unbrauchbar gemacht. Eine bereits zurückgelegte Geldsumme, die Brandkassenentschädigung und eine von der obersten Kirchenbehörde zugesagte Beihilfe ermöglichten es, schon bald eine Reparatur der Kirche durchzuführen.
1) Eine Parochie ist der Amtsbezirk eines Pfarrers, das heißt ein Pfarrbezirk oder Pfarrei. Sie ist der unterste, kirchliche Verwaltungs- und Seelsorgebezirk mit einem eigenen Pfarrer einer Kirche.
2) Das vorherige Altarbild „Luther auf dem Reichstag zu Worms“ wurde auf Veranlassung des Superintendenten anläßlich einer Kirchenvisitation weggenommen.
3) Cornelius Gurlitt „Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreich Sachsen“
4) defunctos plango vivos voco fulgura frango: Lebende rufen, Tote beklagen, Blitze abwehren. Diese Inschrift stammt aus Schillers „Lied von der Glocke“.
5) vox mes vox vite voco vos ad sacra venite: Meine Stimme ist die Stimme des Lebens, ich rufe euch zur Kirche, kommt.
6) inri: Abk. für Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum – (dt. Jesus von Nazaret, König der Juden).
Nepperwitz war auch als Nippern bekannt, daher auch die Sage „Der Tod von Nipern“. Über diese Sage berichtete M. Karl Gebhard folgendes:
„In dem Eingange links der Sakristei zu Nepperwitz stand früher ein altes grausenerregendes Bild von kernfesten Holze in Mannesgröße, schwarz von Farbe, mit großem Barte und großen fürchterlichen Augen. Was es eigentlich vorgestellt hat, weiß niemand gewiß. Einige behaupten, es sei entweder eine heidnische Gottheit gewesen, welche die ersten Christen aus ihren Tempeln nicht zu verbannen gewagt hätten – oder das Bild eines uralten Bischofs, oder es habe den Tod vorstellen sollen. Ob der Name Bebel von Baal herkommen mag, ist unentschieden. – Kurz, niemand durfte sich früher unterstehen, dasselbe ungestraft von seiner Stelle zu verrücken. – Zu Anfang des vorigen (des 19.) Jahrhunderts zog ein neuer Prediger in der Pfarwohnung ein, im künftigen Frühjahr wurden seine Zimmer geweißt, und er entschließt sich, weil ihm der Kalkgeruch zuwider ist, in der Sakristei zu studieren. Der alte Kirchenbebel muß auf den Boden weichen. Zwei Maurergesellen tragen ihn unter manchem Spaß an seinen neuen Bestimmungsort. Der Kirchenbebel bestraft sie in den zwei folgenden Nächten mit Kneipen und Ohrfeigen. Der Pfarrer wird vom Studieren durch Poltern, Raufen und Werfen zum Tempel hinausbefördert, und man vernimmt in der Kirche ein solches Lärmen, daß man sich genötigt sieht, den Bebel an seinen rechtmäßigen Platz wieder anzuweisen.
Der Pastor M. Märker hat (um dem daraus entstandenen Unfug ein Ende zu machen), dieses alte Denkmal und Bildnis - mit welchem so mancher Aberglaube verbunden war, und vor welchem amn sich sehr fürchtete – dem Feuertode übergeben. Nun läßt sich der Bebel mit einem Male als Licht in der Kirche sehen, und niemand getraut sich, des Nachts an ihr vorüber zu gehen. Doch bald enträtselte sich auch dieses Wunder als Widerschein eines Lichtes, das aus einem etwas entfernt und schräg stehenden Hause seine Lichtstrahlen in den krummgelaufenen Fensterscheiben der Kirche brach. Das Licht wurde weggenommen, der feurige Kirchenbebel verschwand und mit ihm die Furcht aus so manchem Herzen.
Neue sächsische Kirchengalerie, Die Ephorie Grimma links der Mulde, Leipzig 1911.
Heimatbuch zur Geschichte der Dörfer Bennewitz mit Schmölen, Deuben, Grubnitz mit Nepperwitz, Gustav Schellhorn. 1938
Olaf Hallmann, 2018