im Bett des später so genannten und heute noch vorhandenen Mühlgrabens. Über die heute noch existierende Straße „An der Mulde“ ( Nr. 7 im Stadtplan ) gelangte man damals von der damaligen Wurzener Fähre auf kurzem Wege in die höher gelegene heutige Wurzener Altstadt. Zwei oder drei Jahrhunderte später hatte sich der Hauptstrom der Mulde ein neues Bett gesucht und floss näher an Bennewitz vorbei in Richtung Grubnitz. Dadurch hat sich der später als Mühlgraben bezeichnete Seitenarm der Mulde zu einem kleineren Flusslauf zurück entwickelt. Die hier trotzdem noch reichlich fließende Wassermenge wird den Anstoß gegeben haben, dass Bischof Johann von Weißbach schon vor 1486 unterhalb von Dom und Schloss die Stadtmühle errichten ließ. Zur Sicherung eines gleichmäßigen Wasserzuflusses wurde etwa 100 Jahre später die Mulde an der Gabelung, unterhalb der heutigen Wurzener Damaschkestraße, durch ein Wehr angestaut. Somit entstand aus dem natürlichen Wasserlauf ein Mühlgraben mit einem relativ konstanten Wasserdurchfluss.
Der Mühlgraben besaß noch einen östlich abzweigenden Nebenarm, der als Doktorteich in die Geschichte einging. Er existiert nur noch im Namen der dortigen Gartensparte und ist längst verfüllt. Als einziges steht fest, dass er der letzte Rest eines kleinen Nebenarmes des Mühlgrabens war und im Stadtplan von 1869 noch als ganz kleines Gewässer eingezeichnet ist. Ab dem Jahre 1907 existierte er in den Karten bereits nicht mehr. Links unterhalb des Rosentales teilte sich der Mühlgraben in weitere zwei Arme auf – zum einen in das „Wüste Gerinne“, dem der spätere Stadtteil Bleiche seinen inselartigen Charakter verdankte und zum anderen in die „Gelbe Lache“, die als breiter Wassergraben die Bleichwiesen an ihrer Westseite umfloss.
Ursprünglich war die Bleiche eine große Wiesenfläche die an den Ufern der Seitenarme des Mühlgrabens dicht mit Weiden bewachsen war. Während der Pestzeiten standen auf dieser Wiese primitive Laubhütten, in die die Pestkranken aus der Stadt ausgewiesen wurden und die dort nur noch auf ihren Tod warten konnten. Der Bischof von Sahlhausen überließ zu seiner Zeit dieses Wiesengelände den Wurzener Leinewebern, die jährlich eine große Menge Leinen für Abnehmer in Leipzig weiß bleichten. Später, im 18. Jahr-hundert, siedelte man sich hier an und baute Häuser. Die so im Laufe der Zeit entstandenen 28 Häuser bildeten eine Doppelreihe, in deren Mitte das Backhaus stand, denn jede Familie buk hier zur damaligen Zeit ihr Brot selbst. Die Bleiche galt als Stadtteil von Wurzen und hatte ihre besonderen Gesetze, wobei der Name auf die Tätigkeit der hier arbeitenden und wohnenden Menschen zurückzuführen ist. Hanf- und Wollfasern wurden im naturfarbenen Zustand versponnen und verwebt, sodass die fertigen Gewebe gelblich bis graubraun waren und vor dem Färben, oder dem Verkauf, gebleicht werden mussten. Frisch gewebte, ebenso wie durch Gebrauch vergilbte Textilien, wurden der Rasenbleiche unterzogen. Auf einer Wiese in der Nähe eines Flusses, dem Bleichplatz, wurden die von der Wäsche noch nassen Gewebe, aber auch Garne, flach ausgelegt oder aufgespannt und kontinuierlich feucht gehalten. Deshalb war die Nähe eines kleinen Flusses oder Teiches erforderlich und natürlich musste auch die Sonne scheinen. Die Behandlung bis zu einem gewissen Weißgrad konnte mitunter Wochen dauern. Später, mit der Entwicklung von immer besseren Wasch- und Bleichmitteln, verlor das Bleichen von Wäsche und Geweben in der Sonne an Bedeutung.
Günther Geißler
Quellen: „Das Wurzener Land um 1100“ von Ralf Thomas - Der Rundblick 1982-Heft 1-
„Die Wurzener Industrie 1797 bis 2002“ von Richard Klinkhardt- Sax Verlag Beucha, 2005
„Der Muldenfluss verändert die Auenlandschaft“ von Siegfried Nowak – LVZ 7.+ 8.2. 2004
„Historisch-topographisches Lexikon der Stadt Wurzen“ von Wolfgang Ebert-Sax Verlag, 2008
„Wurzen in Wort und Bild“ von Joseph Richter-Druck u. Verlag Lischke u.Seidel Wurzen 1936
„Bleichen“ WIKIPEDIA
Fotos der Bleichehäuser vermutlich 1918 wegen des bevorstehenden Abrisses vom Wurzener
Fotografen Max Radig aufgenommen.
Der Wurzener Stadtteil die Bleiche um 1869