Ein alter Klosterbau mit gebrochenem Dach und malerischem , weinumsponnenen Giebel, schauts aus dem Grün hervor, ein längliches Viereck, das einen kleinen Innenhof einschließt. Ein lichter Gang ringsum, durch eine Menge alter Familienporträts feudal geschmückt, gewährt Einlaß in lange Zimmerreihen. Ein Graben, der ehemals das Haus isolierte, hat heiteren Blumenanlagen Platz gemacht, die sich durch den großen schönen Garten fortsetzen, bis sie am Ende, gegen die Mulde hin, sich in einen kleinen Park verlieren.“
Diese Erinnerungen an das Herrenhaus Schmölen schrieb Marie Lipsius in ihrer, 1917 erschienen Autobiografie „Durch Musik und Leben im Dienste des Ideals“.
Marie Lipsius wurde am 30. Dezember 1837 in Leipzig als Tochter des Rektors der Thomasschule Carl Heinrich Adelbert Lipsius geboren. Schon frühzeitig interessierte sie sich für Musik und Literatur.
Ein lebenslange Freundschaft verband Marie Lipsius mit Laura Pohl, der Tochter des Chirurgen Dr. Gustav Pohl. Dieser hatte im Jahr 1826 das Rittergut Schmölen gekauft. Er ließ den Park herrichten und mit ausländischen Bäumen und Sträuchern bepflanzen. Die Anlage war offen für Einheimische und Freunde, die gern zu den veranstalteten Konzerten im Park kamen. Familie Pohl verbrachte insbesondere die Sommermonate auf dem Gut Schmölen und Marie Lipsius war zwischen den Jahren 1852 und 1856 als Gast oft dort.
In dieser inspirierenden Umgebung erwarb sie sich Kenntnisse im Klavierspiel und Gesang.
Durch Dr. Pohl lernte sie bei Besuchen in Weimar den Komponisten Franz Liszt kennen. Diese Bekanntschaft prägte sie für ihr Leben.
Marie Lipsius wandte sich der Schriftstellerei zu. Zunächst schrieb sie Novellen, dann kam der Durchbruch mit den „Musikalischen Studienköpfen“. Das war eine fünfbändige Ausgabe mit Biografien von Musikern und Komponisten.
Weitere Werke über Komponisten und Dirigenten, besonders aus ihrem Jahrhundert folgten (Beethoven, Haydn, Wagner, Schubert u. a.). Ihre Werke veröffentlichte sie unter dem Pseudonym La Mara.
Zu ihrem achtzigsten Geburtstagim Jahr 1917 wurde ihr der Professorentitel verliehen.
Gesundheitliche Probleme und auch Vereinsamung bewogen La Mara 1921 die Einladung des damaligen Besitzers des Rittergutes Schmölen, Dr. Carl Schulz, zu einem Besuch dort anzunehmen. Sie blieb bis zum Jahresende und die Familie Schulz bot ihr dann an gänzlich nach Schmölen überzusiedeln.
Die gastfreundliche Familie bereiteten Marie Lipsius einen sorglosen Lebensabend – Schmölen wurde ihr Sanssouci.
Viele musikinteressierte Bürger von Wurzen besuchten sie und La Mara nahm auch an Musikveranstaltungen in Wurzen teil. Gern unterhielt sie sich auch auf ihren Spaziergängen mit den Einwohnern von Schmölen.
Am 02. März 1927, vor neunzig Jahren, starb Marie Lipsius in Schmölen.
Das Grab auf dem Schmölener Friedhof ist nicht mehr vorhanden. Der Grabstein befindet sich auf dem Gelände des Herrenhauses und wird von den Eigentümern des Hauses, Familie Franck, gepflegt. Er ist von der Straßenseite des Gebäudes einsehbar.
E. Otte, 2017