Vor über 200 Jahren war alles anders. Die Straße von Leipzig über Wurzen nach Dresden(B6) gab es schon weit vor 1780 und führte südlich am alten Dorf Bennewitz vorbei. Die einzigeBebauung an ihr war der inzwischen nicht mehr existierende Gutshof mit Gastwirtschaft. Heute nimmt diese Stelle der Dorfplatz mit dem Jugend- und Freizeittreff „Werner Moser“ ein. Nördlich des damaligen Gutes schloss sich das kleine Dorf Bennewitz mit einigen Bauerngütern an. Knapp 80 Jahre später, zwischen 1860 und 1879, entstanden westlich vom alten Bennewitzer Ortskern die ersten Häuser an der Leipziger Straße. Es waren die vier mit dem Giebel zur Straße stehenden Häuser (jeweils heutige Hausnummern 36 bis 42), die vier parallel zur Straße stehenden Häuser (44 bis 50) das Haus mit der Hausnummer 56, sowie alle Häuser der Brunnengasse.
Der Grund für die Bautätigkeit war in der zunehmenden Industrialisierung in Wurzen und Umgebung zu suchen. Arbeiter, Handwerker, Beschäftigte bei der Bahn und einige kinderreiche Familien durften hier bauen. Von 1879 an vergrößerte sich Neudeuben innerhalb der folgenden30 Jahre zusehends. Die Bebauung mit Häusern südlich der Leipziger Straße, am Mühlenweg und Lückenschließungen nördlich der Leipziger Straße schlossen sich an. In den neuentstandenen Mehrfamilienhäusern wohnten hauptsächlich Arbeiter, die in der Wurzener Mühle, in dortigen Fabriken, in den Hülsmannschen Ziegeleien, oder in den, in der Nähe der bei Altenbach und Zeititz liegenden Kohlegruben arbeiteten. Das Kuriose an der Bebauung war, dass diese Häuser nicht zu Bennewitz gehörten und die Brunnengasse nur zum Teil. So entstand aus den neuen Häusern an der heutigen B6 der Ortsteil Neudeuben. Der Grund für die Namensgebung war, dass sich streng nach den Flurstücksgrenzen der zur Gemeinde Deuben gehörenden Flurstücke gerichtet wurde.
Die Flurgrenze Deubens verläuft auch heute noch von Nordwesten kommend bis etwa Mitte Brunnengasse, von da aus zur B6, entlang der B6 bis zum Abzweig Bahnhofstraße und von dort weiter entlang der Bahnhofstraße bis zur Einmündung Rudolf-Breitscheid-Straße. Hier biegt die Flurgrenze Deubens fast rechtwinklig in Richtung Südwesten ab. Auch Gewerbetreibende gehörten inzwischen zu Neudeuben. Unter anderem gab es eine Gärtnerei, eine Hebamme, einen Ofensetzer, einen Elektroinstallateur, ein Molkereigeschäft, einen Fuhrunternehmer, einen Stellmacher, einen Obst- und Gemüseanbaubetrieb, einen Fleischer, eine Wäscherolle, eine Glaser- und Tischlerei, einen Kolonialwarenhändler und einen Bäcker in der jetzigen Bahnhofstraße. Letztendlich darf man das „Café Schönfeld“ mit eigener Bäckerei und das Gasthaus „Zur Linde“ nicht vergessen. Das seit langem nicht mehrexistierende Frisörgeschäft (heute Standort Neubau Physiotherapie Grunwald und Hennig) und der Kohlehandel Reiche gehörten nicht zu Neudeuben, denn diese Gebäude stehen auf Bennewitzer Flur. Wenn man es genau nimmt, gehört auf Grund der Flurgrenzen der komplette Eschenring und der größte Teil des Ahornringes zu Neudeuben. Damals, wie auch heute, störte es überhaupt keinen Einwohner, ob er in Neudeuben oder Bennewitz zu Hause ist.
Nur bei der Schulbehörde wieherte der Amtsschimmel. Sie richtete sich strikt nach den Flurgrenzen. Dadurch mussten die Neudeubener Schüler in Deuben die Schule besuchen. So konnte es passieren, dass wie auch geschehen, die Kinder des Wohnhaus Kurve B6 / Abzweig Bahnhofstraße den reichlich 1,5 km langen Weg nach Deuben absolvieren mussten und die Kinder des auf der anderen Straßenseite gegenüberliegenden Wohnhauses nur den 300 Meterlangen Weg zur Bennewitzer Schule gehen durften. Erst als sich eine Familie aus Bäcker Starkes Haus (heute Bahnhofstraße 6), um das Jahr 1964, hartnäckig weigerte ihre Kinder nach Deuben in die Schule zu schicken, siegte die Vernunft und die Neudeubener Eltern konnten danach ihre Kinder, so wie sie es wollten, nach Deuben oder Bennewitz zur Schule schicken.
Dieser Niederschrift dienten als Grundlage:
Karten aus der Deutschen Fotothek Dresden:
Meilenblätter, entstanden von 1780 bis 1800
Topographische Karten von 1879, 1907 und 1927
Mündliche Auskünfte von Frau Brigitte Brose, Neudeuben und
Herrn Mathias Naundorf, Neudeuben